Aus heimischer Sicht wird Katharina Tanzer, Niederösterreicherin in Diensten eines steirischen Klubs, das olympische Judoturnier am 27. Juli, dem 1. Wettkampftag, eröffnen. Trotz aller Nervosität will die Olympia-Debütantin mit einem Lächeln auf die Matte steigen. Dass sie bei Olympia dabei sein darf, ist selbst für die 28-jährige Niederösterreicherin eine Überraschung.
Es passierte am ersten Wettkampftag der WM in Abu Dhabi, Sonntag, den 19. Mai, kurz nach 12:30 Uhr: Katharina Tanzer saß im Athlet:innen-Aufwärmbereich und ließ ihrer Enttäuschung freien Lauf. Mit dem vorzeitigen WM-Aus schien auch der Olympia-Traum endgültig ausgeträumt. Die Heeressportlerin weinte und war einige Minuten nicht ansprechbar. Mehr als 2.000 Trainingseinheiten (trotz chronischer Hüftschmerzen) und 27 Turnier-Teilnahmen (in der Qualifikationsphase für Paris 2024) hatten nicht den gewünschten Erfolg gebracht. „Mir taten alle leid, die so viel Energie in meine (Olympia-) Vorbereitung gesteckt hatten, vor allem mein Heimtrainer Hupo (Hubert Rohrauer, Anm. d. Red.). Niemand hat jemals so an mich geglaubt wie er. Hupo hat wegen mir sogar seine Trainer-Pension für drei Jahre aufgeschoben“, erzählt Kathi.
Ein knappes Monat später, Ende Juni, bei der finalen Bekanntgabe der Olympia-Startplätze, kehrte Katharinas Lachen zurück. Die dreijährige Quälerei hatte sich doch bezahlt gemacht. Weil Teamkollege Aaron Fara im letzten Moment doch noch einen Direkt-Qualifikationsplatz ergatterte, rutschte Tanzer im buchstäblich letzten Moment auf einen Europa-Quotenplatz und damit als vorletzte Starterin ins Teilnehmerfeld der Kategorie bis 48 kg. „Ich war eine absolute Spätstarterin, mit 19 habe ich mein erstes internationales (Junioren-) Turnier bestritten. Ich liebe Judo. Aber die Idee einer Karriere als Leistungssportlerin kam erst vor drei Jahren.“ Als Hubert Rohrauer und ÖJV-Headcoach Yvonne Snir-Bönisch Ziele bis 2024 formulierten. Damals begann sie auch zögernd, an den Olympia-Traum zu glauben.
„Meine Olympia-Ticket ist das perfekte Abschiedsgeschenk für ihn. Hubert wird nach den Spielen endgültig seine Karriere als Trainer beenden.“ Der 67-jährige Leibnitzer, ehemaliger ÖJV-Frauen-Nationalcoach, wird mit seinem (Vereins-) Schützling noch bis Mitte Juli Teile der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung absolvieren. In der Woche vor Paris muss er sich einer Hüftoperation unterziehen.
„In Paris ist niemand von meiner Familie oder vom Verein vor Ort. Das würde mich nur nervös machen. Das bin ich, ehrlich gesagt, nicht gewöhnt. Ich vertraue auf das ÖJV-Betreuerteam“, bekräftigt Katharina Tanzer. In Paris wird sie versuchen, jede Minute mit dem österreichischen Olympia-Team zu genießen. „Und am 27. Juli will ich in ein, zwei Kämpfen meine Bestform zeigen. Ich bin unglaublich stolz, bei Olympia starten zu dürfen – noch dazu zweimal (Einzel, Team, Anm. d. Red.).“
Bereits zweimal stand Katharina Tanzer bei einem Grand-Slam-Turnier am Podium, das letzte Mal im Juni 2022. Eine weitere Überraschung, ausgerechnet in Paris, käme zum idealen Zeitpunkt.
Die Tränen der Enttäuschung von Abu Dhabi sind mittlerweile längst vergessen.
ZUR PERSON – KATHARINA TANZER:
Gewichtsklasse: Super-Leichtgewicht, – 48 kg (27. Juli). Alter: 28 Jahre, Verein: SU Noricum Leibnitz/ST, Wohnort: Scheibbs/NÖ, 4 EM- und 3 WM-Teilnahmen, bisherige Olympia-Teilnahmen: 0. Graduierung: 1. Dan; Sportliche Erfolge: aktuelle Nr. 40 im IJF-Ranking, zwei Grand-Slam-Podestplätze (2. Baku 2021, 3. Tiflis 2022), Kampf-Bilanz 2024: 16 Kämpfe, 6 Siege (3 x I, 1 x 2 W, 2 x W), 10 Niederlagen (9 x I, 1 x W).
Quelle: Judo Austria
Autor: Laura Rieger